Rundgänge

KONTEXT

Die Demokratie-Rundgänge sind eine von mehreren diskursiven Veranstaltungen des mehrjährigen interdisziplinären Kunst-, Forschungs- und Friedensprojektes COMRADE CONRADE. Demokratie und Frieden auf der Straße.

COMRADE CONRADE beschäftigt sich mit dem Zustand und der Zukunft von Demokratie und Frieden in gelebter Form innerhalb der Conrad-von-Hötzendorf-Straße. Die Äußere Jakoministraße wurde 1935, zur Zeit des autoritären Ständestaates, nach dem Generalstabschef der Habsburgermonarchie, Franz Conrad von Hötzendorf, umbenannt, um mittels Geschichte eine nationale österreichische Identität zu formen. Conrad von Hötzendorf war wesentlich für den Weg in den Ersten Weltkrieg, die brutale Kriegsführung und Übergriffe gegenüber Zivilist*innen mitverantwortlich.
Der Begriff COMRADE verweist einerseits auf diesen militärischen Aspekt, steht aber andererseits auch für einen kollegialen, solidarischen Umgang miteinander. CONRADE weist als weiblicher Vorname auf das Fehlen so vieler Frauen innerhalb großer Geschichtsschreibungen hin.

2018 ist ein Gedenkjahr in mehrfacher Hinsicht: 100 Jahre Ende des Ersten Weltkriegs und Ausrufung der Ersten Republik, 100. Jahrestag allgemeines Wahlrecht für Männer und Frauen, 80. Jahrestag des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland, 70 Jahre Menschenrechte,…
Ausgehend von diesem Gedenken werden von den Beteiligten des Netzwerkes Rundgänge veranstaltet, in denen die Möglichkeit gegeben wird, sich anhand der Conrad-von-Hötzendorf-Straße aus unterschiedlichen Perspektiven lokales Wissen anzueignen und Zusammenhänge mit geschärftem Blick besser wahrnehmen zu können.
Differenzierte Sichtweisen auf verschiedene Lebensrealitäten sichtbar zu machen heißt, sie verständlich zu machen. Sie unterstützen ein friedliches, achtsames und demokratisches Zusammenleben.

 

 

10 Rundgänge

Dezember 2017 – Dezember 2018

 

 

Rundgang 1

6. Dezember 2017

Hegemoniale Männlichkeit, protest masculinity, caring masculinity – Männlichkeiten in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße

Mit: Elli Scambor, Soziologin, Institut für Männer- und Geschlechterforschung
Mittwoch, 6. Dezember 2017, 16:00 Uhr

Treffpunkt: Finanzamt, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 14-18

Bei diesem Rundgang, einem FrauenStadtSpaziergang veranstaltet von Verein Frauenservice Graz wurden unterschiedliche Konzepte von Männlichkeiten diskutiert und thematisch mit vielfältigen Lebensfeldern und Institutionen in Zusammenhang gebracht. Connells (2000) Konzept der Hegemonialen Männlichkeit richtet die Aufmerksamkeit auf „Prozesse und Beziehungen, die Männer und Frauen ein vergeschlechtlichtes Leben führen lassen“ (91) und definiert „Männlichkeit“ als „Position im Geschlechterverhältnis… (als soziale) Praktik … “ (91). Dabei wird ein dominantes Modell männlicher Überlegenheit, das für eine Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit die „Idealnorm“ darstellt von untergeordneten Männlichkeiten unterschieden, die sich selbst in Relation zur Hegemonialen Männlichkeit positionieren. Für die Organisation des Geschlechterverhältnisses sind Sexualität, Macht und Arbeit(-steilung) relevant. Sowohl die geschlechtliche Arbeitsteilung als auch die damit einhergehende Konstruktion von Sexualität und Herrschaft formen gesellschaftliche Verhältnisse und bringen sowohl auf institutioneller als auf organisationaler Ebene hegemoniale Herrschaftsstrukturen hervor, die sich in Phänomenen der geschlechterbezogenen organisationalen Substrukturen (Acker 2002), vertikalen und horizontalen Geschlechtersegregation, entgrenzter Management-Masculinity oder im Gender Pay Gap manifestieren. Im Hof des Finanzamts wurden aktuelle Bezüge der geschlechterbezogenen Organisationsforschung zu diesen Phänomene hergestellt und diskutiert.

Die Station beim Gericht widmete sich unterschiedlichen Formen gewaltbetonter Männlichkeiten, die in der Literatur u.a. als ‚toxische Männlichkeit‘ diskutiert werden. Dabei wurden u.a. Denkmuster vorgestellt, die radikale Akteur_innen der österreichischer Männer- und Väterrechtsinitiativen vertreten und die sich unter der Leitideologie des Antifeminismus zusammenfassen lassen. Diskurse rund um ‚Jungen als Bildungsverlierer‘, ‚Gewalt gegen Männer‘ sowie ‚Männer als Scheidungsverlierer‘ derer sich die antifeministische Männerarbeit bedient, sind i.d.R. darauf ausgerichtet, sich als Opfer eines alles beherrschenden Feminismus (Femokratie) zu inszenieren. Die Opferideologien vieler Väterrechtsinitiativen basieren auf einem männlichen Krisendiskurs und sind an die Konstruktion starker Unterdrücker_innen (z.B. Frauen, Gerichte, etc.) gebunden.
Berichte zu Gewalt im sozialen Nahraum werden auf einschlägigen Webseiten von Männer- und Väterrechtsinitiativen immer wieder als gleichverteilte Gewalt bzw. als Gewalt von Frauen gegen Männer dargestellt, obwohl sich in der Kriminalstatistik und an den Gerichten ein deutlicher Überhang männlicher Täterschaft zeigt. Denn sobald Schwere und Folgen der Gewalt im sozialen Nahraum berücksichtigt werden, schälen sich die behördlich erfassten Betroffenenzahlen mit einem überwiegenden Frauenanteil heraus. Dies wurde auch von Caroline List, der Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen Graz bestätigt, die bei diesem Rundgang teilgenommen hat.

An der Pädagogische Hochschule Steiermark wurde das Konzept ‚Caring Masculinity‘ vorgestellt. Traditionelle Modelle von Männlichkeiten (z.B. Ernährermodell), die lange Zeit gesellschaftliche Orientierungsmuster darstellten, erweisen sich als nachteilig für Geschlechtergleichstellung und Inklusion. Diese Modelle unterliegen historischen Veränderungen, unschwer zu erkennen an neuen Handlungsmustern und sozialen Praktiken von Männern, die zu Veränderungen in den Geschlechterbeziehungen und –hierarchien beitragen. Die Rolle des männlichen Ernährers wird langsam von einem Modell der ‚für-/sorgenden Männlichkeit‘ (‚Caring Masculinities‘) abgelöst, das die Wahrnehmung und Realisierung von betreuenden, sorgenden und kümmernden Komponenten durch Männer einschließt. Es erscheint daher zentral, das Konzept Caring Masculinities als zusätzliches Leitmotiv gleichstellungspolitischer Überlegungen zu etablieren, um neben den gängigen Zielen der Gleichstellungspolitik auch einen Rahmen dafür zu bieten, wie eine ‚für/-sorgende‘ anstelle einer hegemonial-erwerbszentrierten Männlichkeit unterstützt werden kann. Dabei ist dieses Konzept nicht als individualisierendes, auf den Einzelnen ausgerichtetes Leitziel zu verstehen, sondern als Zielgröße für die Ausrichtung gleichstellungspolitischer Strategien und Maßnahmen, um Strukturen zu ändern, aber auch entsprechende Initiativen auf politischer und betrieblicher Ebene zu setzen: Wie sind die Rahmenbedingungen zu gestalten, dass beispielsweise Männer selbstverständlich in Karenz gehen und ihre Arbeitszeit reduzieren, um in anderen Lebensbereichen mehr Zeit zu investieren? Welche Ansätze unterstützen die Verwirklichung eines selbstsorgenden Blicks auf die eigene Gesundheit? Durch welche Maßnahmen lassen sich Vorbilder schaffen im Erziehungs- und Bildungssystem?
Text: Elli Scambor

 

In Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark:
Im Rahmen dieses Rundganges wurde das erste der fünf Fanzines des Kunstprojektes „Gyges und sein Ring“ von Sir Meisi (Ruby Sircar und Wolfgang Meisinger) präsentiert.

Fotos: Nikolaos Zachariadis

 

2018

 

Rundgang 2

27. Jänner 2018

Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

 

Gedenkspaziergang zu „Stolpersteinen” im Bezirk Jakomini

Gedenkspaziergang konzipiert von Daniela Grabe.
Mit: David Kriebernegg, Verein für Gedenkkultur in Graz
Samstag, 27. Jänner 2018, 15:00 Uhr, Treffpunkt: Jakoministraße 10

„Stolpersteine“ sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, mit dem an das Schicksal jener Menschen erinnert werden soll, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben, in den Suizid getrieben wurden oder von Enteignungen, sogenannten „Arisierungen“, betroffen waren.
Die kleinen in den Boden eingelassenen Gedenksteine mit Messingplatten geben Aufschluss über die Lebensdaten der Betroffenen. Dabei handelt es sich oftmals um jüdische BewohnerInnen, aber auch um Verfolgte aus politischen, religiösen oder rassistischen Gründen; um Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder aufgrund ihres Lebenswandels verfolgt wurden, um Wehr- und Kriegsdienstverweigerer bzw. Deserteure und Menschen, deren Leben aufgrund ihrer psychischen oder physischen Verfassung als „unwert“ galt. Letztere wurden Opfer des nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programms, deren Mordmethoden Vorlage zum großangelegten Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden, aber auch an den sog. „Zigeunern“ (Volksgruppen der Roma und Sinti) waren.
In Graz wurden die ersten 18 Stolpersteine am 27. Juli 2013 verlegt. Im Bezirk Jakomini gibt es bislang zehn Steine – Großteils jüdischen BewohnerInnen gewidmet, wie den Familien Dortort, Körner und Prucker. Aber auch der Stolperstein des Widerstandskämpfers Richard Zach, derjenige des aufgrund seiner Homosexualität verfolgten Anton Zierler oder der Gedenkstein des monarchistischen Polizisten Othmar von Gadolla befinden sich im 6. Grazer Stadtbezirk.

Am 27. Jänner, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, fand ein Gedenkspaziergang zu den Stolpersteinen des Bezirks Jakomini mit Historiker David Kriebernegg statt. An insgesamt fünf unterschiedlichen Orten wurden die Biographien der betroffenen BewohnerInnen vorgestellt. Dabei wurden auch die Rahmenbedingungen erläutert, die zu Ausgrenzung und Verfolgung dieser GrazerInnen führten. Die einzelnen Orte wurden im Zuge eines Gedenkspaziergangs besucht, eine längere Strecke wurde mit der Tramway zurückgelegt. In einem Lokal bei der Ecke Grazbachgasse-Conrad-von-Hötzendorfstrasse fand der Gedenkspaziergang schließlich in einer abschließenden Gesprächsrunde ein Ende.

1. Station Familie Dortort, Jakoministrasse 10.
Die Familie lebte bis zum Jahr 1938 im oberen Teil der Jakoministrasse. Das Ehepaar Anna Rechla und Franz Heim Dortort, die Kinder Leo und Blanka, identifizierten sich sehr stark mit ihrem Graz. Man nahm regen Anteil am kulturellen Leben, etwa an Aufführungen in der Oper, im Stadttheater oder im Ringtonkino, das sich bei der Adresse Joaneumring 22 befand.
Im Zuge der nationalsozialistischen Maßnahmen gegenüber der jüdischen Bevölkerung wurde der Familie Wohnung und Eigentum geraubt. Im März 1939 erfolgte die illegale Flucht nach Jugoslawien. Nach dem Überfall der Wehrmacht saß die Familie in der Falle. Franz Chaim Dortort wurde im Oktober 1941 in Šabac ermordet, seine Frau Anna Rechla zur selben Zeit im KZ Sajmište. Sohn Leo und Tochter Blanka (schon 1938) gelang die Flucht nach Palästina. Leo Dortort lebt heute in Kanada. ( http://www.stolpersteine-graz.at/stolpersteine/dortort-leo/ )

2. Station Anton Zierler, Schönaugürtel 53
Anton Zierler wurde am 17. November 1900 in Graz geboren. Er wuchs als Halbwaise bei seiner Mutter auf, machte eine Ausbildung zum Kaufmann und schließlich Karriere als Prokurist.
Im Jahr 1926 wurde Zierler mit der Begründung „Unzucht wieder die Natur“ vor Gericht gestellt und zu drei Monaten schweren Kerkers verurteilt. Nach einem Vorfall in Wien wurde er am 20. Oktober 1942 in Untersuchungshaft genommen und im Mai 1943 ins Konzentrationslager Mauthausen überstellt. Bis kurz vor Kriegsende hielt Zierler durch, verstarb schließlich am 25. April 1945 im Zellenbau des Lagergefängnisses von Mauthausen. ( http://www.stolpersteine-graz.at/stolpersteine/zierler-anton/  )

3. Station Othmar von Gadolla, Schönaugasse 86
Als überzeugter Monarchist stand Gadolla, Jahrgang 1895, in Opposition zum Nationalsozialismus. Er lebte in der Schönaugasse 86 und war Amtssekretär der Polizeidirektion. Als es im März 1938 zur Besetzung der Polizeistation durch SA-Schergen kam, wurde Othmar von Gadolla im Zuge eines Handgemenges erschossen. Die genauen Umstände sind bis heute ungeklärt. Gadollas Tod wurde von den NS-Machthabern zum Selbstmord erklärt, was zumindest die Angehörigen vor weiteren Repressalien bewahrte. ( http://www.stolpersteine-graz.at/stolpersteine/von-gadolla-othmar/ )


4. Station Richard Zach, Pestalozzistraße 67
Schon Mitte der 1930er Jahre trat Zach in Kontakt zu führenden JungkommunistInnen, auch wenn er Distanz zum „polizeibekannten KJV“ behielt. Der Lehrer und Schriftsteller gründete zur Zeit des Austrofaschismus innerhalb des christlich-konservativen „Freiheitsbundes“ eine eigene Jugendgruppe mit Namen „Jungfreheitsbund“. Im Rahmen ihrer politisch-kulturellen Tätigkeit war die Gruppe antifaschistisch und hielt im Geheimen marxistische Schulungen ab.
Im Oktober 1941 wurde Zach aufgrund des Verdachts „kommunistische Parolen geschmiert zu haben“ festgenommen und am 17. August 1942 zum Tode verurteilt. Bis zu seiner Hinrichtung am 27. Jänner 1943 verfasste Zach über 800 Gedichte, die zum Teil aus der Zelle geschmuggelt werden mussten. ( http://www.stolpersteine-graz.at/stolpersteine/zach-richard/ )

5. Station Ettel und Israel Prucker, Leitnergasse 2
Das altösterreichische Ehepaar, beide wuchsen im Kronland Galizien auf, lebte bis 1938 in der Leitnergasse 2, ehe Mitte Dezember die Abmeldung erfolgte. Hintergrund waren die nationalsozialistischen Enteignungsmaßnahmen, womit man der jüdischen Bevölkerung die Existenzgrundlagen nahm. Nach erzwungenen Umzügen in Sammelwohnungen erfolgte im August 1942 die Deportation ins NS-Todeslager Maly Trostinec, etwa zwölf Kilometer südöstlich von Minsk.

Text: David Kriebernegg

Veranstaltet vom Verein für Gedenkkultur in Graz

Näheres zum Rundgang unter: http://www.stolpersteine-graz.at

Im Rahmen dieses Rundganges wird das zweite der fünf Fanzines des Kunstprojektes „Gyges und sein Ring“ von Sir Meisi (Ruby Sircar und Wolfgang Meisinger) präsentiert (in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark).

Fotos: Nikolaos Zachariadis

 

Rundgang 3

11. März 2018

1938 Machtübernahme der Nazis in Österreich

 

Graz 1938: Propaganda und Inszenierung

In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 übernahmen die Nazis die Macht in Österreich. Während Juden/Jüdinnen und politische Gegner_innen misshandelt und festgenommen wurden, lief parallel dazu eine bislang nicht gekannte Propagandamaschinerie an. Um für die „Volksabstimmung“ am 10. April 1938 über den bereits vollzogenen „Anschluss“ Stimmung zu machen, gab es öffentliche Ausspeisungen, durchkonzipierte Häuserbeflaggungen usw. Zudem kamen führende Nationalsozialist_innen nach Graz und versprachen den Arbeitslosen sofortige Aufnahme in Industriebetrieben. Diese Masseninszenierungen setzten sich über den 1. Mai 1938 („Tag der deutschen Arbeit“) und den 25. Juli 1938 in Erinnerung an die Juliputschisten 1934 fort. Dabei wurden u.a. Straßen und Plätze nach den Gefallenen des Putsches benannt. Und die Stadt Graz erhielt für ihren Einsatz für den Nationalsozialismus vor 1938 den „Ehrentitel“ „Stadt der Volkserhebung“. Eine zentrale Rolle im Rahmen dieser Propagandainszenierungen kam dabei dem Gebiet zwischen Herrengasse, Eisernes Tor bis zur Grazer Messe zu.
Mit: Heimo Halbrainer, Historiker, Leiter von CLIO
Sonntag, 11. März 2018, 11:00 Uhr, Treffpunkt: Eisernes Tor (Mariensäule)
Veranstaltet vom Verein Clio

In Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark wird das dritte der fünf Fanzines des Kunstprojektes „Gyges und sein Ring“ von Sir Meisi (Ruby Sircar und Wolfgang Meisinger) präsentiert.
Heft 3. Sicherheitsheft: warum sich Säulen der kapitalistischen Gesellschaft um den Kameraden scharren (Merkur, Multiplikator_innen/Presse, Finanzamt, Notenbank etc.)

Fotos: Nikolaos Zachariadis

 

 

Rundgang 4

1. Mai 2018

Tag der Arbeitslosen (30. April) und Tag der Arbeit (1. Mai)

 

„Was wir fordern ist nicht viel – Selbstbestimmung bleibt das Ziel!“

FrauenStadtSpaziergang veranstaltet vom Verein Frauenservice Graz
Mit: Edith Zitz, Diversitätsfachfrau
Dienstag, 1. Mai 2018, 16.00 – 17:30 Uhr
Treffpunkt: Conrad-von-Hötzendorf-Straße / Ecke Schießstattgasse

Dieser FrauenStadtSpaziergang verwob die Kultur der Arbeit und Wirtschaft in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße mit stadtentwicklerischen Perspektiven und Fragen der  Geschlechterdemokratie. Edith Zitz arbeitet mit einer intersektionalen Herangehensweise, die Merkmale der sozialen und ethnischen Herkunft, der Behinderung und des Geschlechts miteinander in Beziehung setzt.

Zum Materialienstand für diesen Spaziergang:
Die Quellen mit frauenpolitischen Bezügen im Sozialraum erweisen sich als äußerst mager. Anzuführen sind jedoch Materialien des Frauenservice Graz, des Comrade Conrade-Diskurs, Recherchen von Lisa Maria Wurzinger (UNI, Kulturanthropologie), Heimo Halbrainer (CLIO) oder Werke wie „Geschichte der Frauen in der Steiermark (2017)“ sowie die WOMENT-Materialien.

Ausgewählte Stationen aus dem Rundgang:
1. Station: Conrad-von-Hötzendorf-Straße / Ecke Schießstattgasse:

Der Tag der Arbeit, der 1. Mai, wird auf allen Kontinenten gefeiert, und meist von Gewerkschaften getragen. In Österreich stellt er als Staatsfeiertag einen der wenigen nicht-religiösen Feiertage dar. Historisch entstanden ist er aus einer linken, anarchistisch geprägten US-amerikanischen Tradition gegen unzumutbare industrielle Arbeitsbedingungen. Die 1. Mai-Tradition fasste ab den 1890er Jahre auch in Österreich und in Graz Fuß. Ein besonders traditionsreiches Eck dazu ist die Schiessstattgasse 2-4 (wurde aus Zeitgründen nicht besucht).  Im Gasthaus „Zum Goldenen Dachl“  fand nämlich am 15. August 1892 die 1. Arbeiterinnenversammlung in Graz statt, die von der Polizei ausnahmsweise nicht aufgelöst wurde. An den fulminanten Erfolg in der ehemaligen Steinfelder Bierhalle erinnert eine WOMENT- Würdigungstafel aus dem Kulturhauptstadtjahr 2003. In der Woche darauf wurde die Gründung eines Arbeiterinnenbildungsvereines beschlossen. Frauen war es damals ja verboten, politische Vereine zu bilden. Nach dem Vereinsgesetz 1867 durften „Ausländer, Frauenspersonen und Minderjährige“ nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein.
Zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von Frauen: diese waren durchgängig schlechtergestellt – und durch prekarisierte Arbeitsverhältnisse und „Haus- und Familienarbeit“ dies teils heute noch – als Männer. Arbeiten bis zum Lebensende ohne Aussicht auf eine Ruhephase oder gar Pension in Alter war weitestgehend üblich, gerade bei sozial wenig anerkannten, strapaziösen Tätigkeiten wie etwa Hausgehilfinnen, Hilfsarbeiterinnen oder Taglöhnerinnen. Prekarisierung einst wie auch heute ist also ein sichtbares, frauenspezifisches Phänomen.
Vor genau 100 Jahren, 1918, wurde zwar das Arbeitslosen-Versicherungs-Gesetz beschlossen, aber diese Absicherung war gebunden an den  Krankenversicherungsnachweis, den Frauen oft nicht erbringen konnten.

2. Station: KIZ RoyalKino

Dieser Kinostandort fusioniert das ehemalige Royal English Cinema mit dem augartenkino KIZ. Das Kino wird aktuell von Frauen geführt.

Auch die Pädagogische Hochschule Steiermark auf der gegenüberliegenden Straßenseite bietet Anknüpfungspunkte zur Repräsendanz von Frauen: Erstmals sind derzeit im PH-Rektorat drei Frauen, was nach wie vor atypisch in der Hochschullandschaft ist, und dies leider auch in Ausbildungen, die von Frauen stark frequentiert werden. Maria Schaumayer (1931 – 2013), die Jus in Graz studierte, war weltweit übrigens die 1. Frau an Spitze einer Nationalbank – dies mit Verweis auf das Finanzamt bzw. die Nationalbank.
Bezugspunkt zum Rundgang bildete der im Frühjahr 2018 hier gezeigte Film „Gwendolyn“, der in der Diagonale 2018 zu sehen war: Er verbindet unaufgeregt verschiedene Formen einer „caring masculinity“, die sich um die Geschichte der Titelgeberin des Films, Gwendolyn, verdichten: Diese ist  Mitte 60, von zarter Statur und schafft es, zum dritten Mal Weltmeisterin im Gewichtheben zu werden – parallel zu ihrer schweren Krebserkrankung. Ihr  Trainer, ihr Sohn und ihr um 20 Jahre jüngerer Lebensgefährte bieten mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten ein Spektrum an caring masculinity, die zugewandt-liebevolle, tatkräftige Ausgestaltungen von Liebe darstellen.

3. Station: Adolf Kolping Gasse

An der Ecke zur Conrad-von-Hötzendorf-Straße erinnert eine Tafel an den röm.-katholischen Priester Adolf Kolping, im 19. Jahrhundert als „Gesellenvater“ ein wesentlicher Motor der katholischen Soziallehre und Gründer der Kolpingwerke. Als gelernter Schuhmacher entsetzten ihn die miserablen Lebensbedingungen der meisten Handwerksgesellen, die er während seiner Wanderschaft kennenlernte. Das Kolpinghaus Graz in der gleichnamigen Gasse bietet heute Unterkunft für Lehrlinge, Berufstätige und SchülerInnen.
Hier ergibt sich eine Assoziation zu sozial marginalisierten Jugendlichen, die seit einigen Jahren unter der Bezeichnung NEETS (= „Not in education, employment or training“) als eigene Gruppe von 18-24 Jährigen ganz oben auf der arbeitsmarktpolitischen Agenda stehen. In Österreich rechnet man mit ca. 75000 Personen, die mit klassischen Bildungs- und Arbeitsmarktmassnahmen nicht erreichbar sind bzw aus diesen herausfallen. Die statistische „Unsichtbarkeit“ dieser jungen Heranwachsenden korreliert teils mit ihrem Frau-/ Mädchensein. Oftmals haben sie auch eine Migrationsgeschichte. Erst recht spät wurde diese Gruppe beforscht. Auch entsprechende Unterstützungsmaßnahmen setzten erst vor kurzem ein. Die Ausbildungspflicht bis 18 Jahren – mit entsprechend flankierenden Maßnahmen wie niederschwellige Beschäftigungsmöglichkeiten – wird hier möglicherweise eine Brücke in eine besser abgesicherte Lebensgestaltung bieten können.

4. Station: Remise / Weichenstellwerk

Hier gab es den passenden Rahmen für Überlegungen zum öffentlichen Raum, Mobilität und Verkehrspolitik und zu Infrastrukturfragen.
Die Grazer Straßennamen bilden nach wie vor ein mächtiges Stück hegemonialer Männlichkeit im öffentlichen Raum. Im durchwanderten Viertel finden sich nur Strassen / Gassen mit Männeridentitäten: Conrad-von-Hötzendorf, Adolf Kolping, Johann Franz Brockmann, Ludwid Anzengruber: Letzterer vertrat übrigens als „Volksdichter“ frauenfeindliche, antisemitische und antiklerikale Stereotype (Vgl. Endbericht der ExpertInnenkommission für Strassennamen Graz).
Nachweislich wird der öffentliche Verkehr – so auch in Graz – zu zwei Drittel von Frauen genutzt. Eine KFZ-lastige Verkehrspolitik geht somit zu Lasten des Unterwegsseins von – gerade auch älteren – Frauen ohne Führerschein.  Nicht zu unterschätzen ist zudem, dass Frauen in Alltag hohe Lastentransporte zu bewältigen haben. Auf Bezirksebene fand hier das Thema Einsamkeit im Alter eigenen Raum: Gerade aus Sicht der Lebensqualität sind gelingende, selbstbestimmte Beziehungen das Um-und-Auf. Sich diese nicht gut organisieren zu können, führt oft zu verschärfter Scham und weiterer Vereinsamung, mit schweren psychischen Folgen wie Depressionen oder Sucht (Alkohol).

5. Station: Nochmals Remise / Weichenstellwerk

Gerade im Stadtteilkontext kommt einer funktionierenden Infrastruktur, speziell was Nahversorgung betrifft, große Bedeutung zu. Bezirksrat Hans Gröbelbauer führte aus, dass der Mangel an Postämtern in Jakomini ein großes Problem darstellt – hier ist die nötige Versorgungsdichte im Bezirk bei weitem nicht gegeben. Mit 1.1.2018 leben 25 000 BewohnerInnen in Jakomini. Altersmässig gibt es  4 Frauen mit über 100 Jahren, aber keinen über 100-jährigen Mann.

Da im Bezirk etliche Neubauten entstehen, kamen auch die sogenannten Renderings zur Sprache: Diese sind Architekturdarstellungen mit oftmals stereotypenhaften Menschen („cut out people“). Renderings haben hohe Relevanz für ArchitektInnen, InvestorInnen, Stadtplanung und KundInnen, und definieren auch den öffentliche Raum mit. Sie verschärfen dabei oft Geschlechterhierarchien, zeigen in erster Linie junge, „smarte“ Menschen und bieten wenig Realitätssinn für gesellschaftliche Vielfalt.

6. Station: Stadthalle

Die Stadthalle, ein 2002 finalisierter Bau, gestaltet von Klaus Kada, stellte den Andockpunkt für Überlegungen zu Architektur, der Rolle der „Stararchitekten“ und (Wohn)Raum dar. 2015 wurde gegenüber das von Architektur Consult – Hermann Eisenköck – entworfene Styria Media Center eröffnet. In dem Kontext stellt sich die Frage, wie die Zuschreibung „Stararchitekt“ zustandekommt: Der Begriff scheint weitergehend männlich konnotiert. Beispiel: Würde dieses label etwa auch der bedeutenden Architektin und aus ihrer kommunistischen Haltung heraus gespeisten Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime Margarete Schütte-Lihotzky zuerkannt werden? Im Diskurs derzeit – wohl eher nein.
Zur Situation des sozialen Wohnbaues und der prekarisierten Wohnungssituation: Jakomini hat die größte Anzahl an Wohnungen in Graz, gefolgt von Lend und Gries. Fragen der adäquaten Wohnraumbereitstellung sind virulent und stellen auch Menschen mit mittlerem Verdienst vor massive finanzielle Herausforderungen. Weibliche Wohnungslosigkeit  ist übrigens ein wenig beachtetes Thema, das erst seit einigen Jahren in Graz durch Projekte wie „housing first“ (Jugend am Werk) konzentriert angegangen wird. Die ersten Sozialwohnbauten entstanden nach dem 1. Weltkrieg in Graz und wiesen bereits damals ein recht striktes Vergabe-Regime auf. Derzeit hat die Stadt Graz Zugriff (Zuweisungsrecht) auf ca. 11 000 Wohnungen. Das dürfte ca. 7% der Grazer Wohnungen entsprechen.

7. Station: Styria Media Center

Das Styria Media Center am Gadollaplatz bot ideale Anknüpfungen zu zwei Themen:
Einerseits zur geschlechterparitätischen Repräsendanz von Frauen und Männer in Unternehmen auf der Führungsebene, andererseits zur generellen Darstellungen von Frauen in Medien. Neben dem Styriakonzern bietet das Viertel übrigens mit Radio Helsinki mit Standort Schönaugasse 8 ein freies Radio, das 1992 gegründet wurde und mit einem diversen Team an SendungsmacherInnen (z.B. der „Von unten“-Redaktion) die Medienvielfalt erhöht.
Die Studie von FELIN (Female Leaders Initiative) über den Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Steiermark (Mai 2017) stellt eine wichtige Primärforschung dar. Sie legt offen, dass Frauen in den steirischen TOP 100 Unternehmen auf der 1. Führungsebene (Vorstand; Geschäftsführung, Aufsichtsrat) nur zu 11% vertreten sind.

Im Wirtschafts-Cluster Messe / Stadthalle / Styria Konzern / MerkurVersicherung fällt auf, dass hier die Führungsetagen durchgängig männlich besetzt sind:
– Stadt Graz ITG Informationstechnik Graz GmbH
– Merkur Merkur Versicherung AG
– Styria Media Group AG
– Messe Congress Graz (MCG)
– Redmail

Nun zur medialen Sichtbarkeit von Frauen:
Die Studie von Mediaaffars – erstellt von Maria Pernegger – aus dem März 2018 führt aus, dass frauenbezogene Themen, die polarisieren, einen negativen Kontext aufweisen oder im weitesten Sinn mit Sex zu tun haben oder – was sehr selten geschieht –  Themen, die vehement von der Spitzenpolitik verfolgt werden – in den Medien präsent sind. Die größte Aufmerksamkeit hatte daher 2017 die Burka-Debatte und die #metoo-Bewegung.

Text: Edith Zitz

Fotos: Nikolaos Zachariadis

 

 

Rundgang 5

4. Mai 2018

Tag der Inklusion (5.5.)

 

Ein inklusiver Stadtspaziergang

Veranstaltet von der Lebenshilfe GUV gemeinsam mit der Akademie Graz

Freitag, 4. Mai 2018, 14:00 Uhr. Treffpunkt am Parkplatz des Spar-Marktes Conrad von Hötzendorf Straße 37 (Zugang über die Einfahrt, Steyrergasse).

Zu einem inklusiven Spaziergang rund um die Zentrale der Lebenshilfe kamen am 4. Mai, dem Vortag des Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, rund 35 Interessierte. Peter Knieschek, Bote der Lebenshilfe, führte gemeinsam mit Ursula Vennemann, Präsidentin der Lebenshilfe Graz und Umgebung – Voitsberg, zu seinen Lieblingsplätzen – dem Café Bali in der Steyrergasse, zur Postpartnerschaft mit Lebensladen und zum Randkunst-Atelier in der Anzengrubergasse.


Treffpunkt für diesen Rundgang, zu dem die Lebenshilfe gemeinsam mit der Akademie Graz eingeladen hatte, war der Spar-Parkplatz Ecke Steyrergasse/Conrad-von-Hötzendorf-Straße. Hier sprach Peter Knieschek kurz von seinem Leben: Der Köflacher ist 44 Jahre alt und hat das Asperger-Syndrom. In der Schule wurde er deshalb gehänselt. Er ist sehr froh, seit fast 20 Jahren bei der Lebenshilfe beschäftigt zu sein: „Es ist die heile Welt, das Paradies auf Erden.“ Zuerst arbeitete er in der Werkstatt in Karlschacht bei Voitsberg, später in der Bürogruppe in der Grazer Lebenshilfe Zentrale. Seit der Eröffnung der Postpartnerschaft in der Anzengrubergasse im Jahr 2013 ist er Teil des Teams dort. Er verbringt den Vormittag mit Botengängen, nachmittags unterstützt er seine Kolleginnen und Kollegen bei der Post. Für Peter Knieschek ist ein bis ins Detail geregelter Tagesablauf besonders wichtig. Arbeitszeiten und Jausenzeiten hält er exakt ein. Da die Lebenshilfe-Zentrale direkt über dem Spar-Markt gelegen ist, besorgt Peter Knieschek die Jausen für die Beschäftigten dort. Die Spar-Angestellten kennen ihn bereits gut und geben ihm die Zeit, die er braucht, um seine Listen abzuarbeiten.


Eine Reizüberflutung stellt die Überquerung der Conrad-von-Hötzendorfstraße auf Höhe der Nummer 37 a dar: Hier sind ein Radweg, die Straßenbahnschienen und die Autostraße zu queren und zu beachten. Eine Herausforderung, die Peter Knieschek rund zehnmal am Tag meistert. Am Weg zur Postpartnerschaft in der Steyrergasse 106 liegt sein Stammlokal „Bali“, in dem er täglich zu Mittag isst.

Es ist nicht nur ein Ort, an dem er die Küchengerüche gut verträgt – denn da ist er sehr empfindlich – es ist auch ein Ort der menschlichen Wärme für ihn: Wirt Hassan Lashani, ein gebürtiger Iraner, nimmt auf seine Gewohnheiten Rücksicht, bereitet ihm seinen gewohnten Platz vor, legt ihm die Zeitung hin und der Chefkoch kocht für ihn seine Lieblingsspeisen. Hassan Lashani erzählt, wie sehr er, sein Team und die anderen Stammgäste Peter Knieschek mögen. Peter Knieschek unterstreicht: Wo Zuneigung und Wertschätzung spürbar sind, fühlt er sich wohl.


Nächste Station sind Post und Lebensladen in der Anzengrubergasse. Die Lebenshilfe ist 2013 eine Postpartnerschaft und damit ein Wagnis eingegangen, wie Mitarbeiterin Gabi Stranzl erzählt. Denn weder die MitarbeiterInnen noch die Menschen mit Behinderung, die hier arbeiten, hatten Erfahrung in diesem Bereich und wussten, was auf sie in dieser Post mit der – nach der Hauptpost – höchsten Frequenz zukommt. Das Experiment ist geglückt. Hier wird tagtäglich Inklusion auf hohem Niveau gelebt: Sechs Menschen mit Behinderung sind – gut begleitet von Lebenshilfe-Mitarbeiterinnen – in der Postpartnerschaft beschäftigt.
Gleich ums Eck ist der Eingang zum Randkunst- und Textilatelier der Lebenshilfe.

Leiterin Petra Brunner begrüßt. Sie erzählt, dass sieben Künstler, zufällig lauter Männer, hier tagtäglich kreativ tätig sind. Auf die Entwicklung ihres eigenen Stils wird großer Wert gelegt, viele nationale und internationale Preise zeigen, dass die Kunstwerke eine hohe Qualität haben.

Der in der Einladung angekündigte Künstler Max Nemeczek ist aufgrund eines Unfalls ausgefallen, dafür berichtet Renate Mayerl aus dem nebenan gelegenen Textilatelier von ihrer Arbeit.

Der Großauftrag einer Firma, die 1000 Schlüsselanhänger bestellt hat, beschäftigt die sechs Menschen mit Behinderungen und ihre Begleiterinnen gerade sehr. Fixpunkte im Jahreslauf sind die hauseigenen Oster- und Weihnachtsmärkte.
Bei der abschließenden Jause in der Zentrale der Lebenshilfe, Conrad-von-Hötzendorfstraße 37 a, wurden Fragen zu Finanzierung, Beschäftigungsmodellen und Zukunft der Behindertenhilfe beantwortet.

Text: Eva Reithofer-Haidacher abgestimmt mit Peter Knieschek

Fotos: Nikolaos Zachariadis

 

 

Rundgang 6

21. Juni 2018

 

Jüdisches Jakomini? Eine Spurensuche

Entwickelt im Rahmen eines Seminars von Studierenden des Centrum für Jüdische Studien
Donnerstag, 21. Juni 2018, 17:00 Uhr. Treffpunkt: Jakominiplatz / Ecke Jakoministraße
Veranstaltet vom Centrum für Jüdische Studien


Geschichte verdichtet sich im Stadtraum. Sie ist geschichtet und die unterschiedlichen Epochen und Besiedelungsphasen überlagern sich. Nicht immer können sie auf den ersten Blick wahrgenommen oder ins Bewusstsein der Menschen geholt werden. Für Bogdan Bogdanović gleicht die städtische Architektur, der Stadtraum einem Palimpsest, einer Pergamenturkunde, die durch stetes auslöschen, abkratzen und überschreiben gekennzeichnet ist. Das Palimpsets, so Aleida Assmann, betont aus einer stets gegenwärtigen Perspektive das zeitliche Aufeinanderfolgen ebenso wie die räumliche Gleichzeitigkeit von Geschichte. Es verbindet die Geschichte mit der Erinnerung und durch geeignete Methoden ist es möglich, die unter der obersten Schicht liegenden älteren Schichten und Schriften sichtbar und lesbar zu machen und sich so in das Erinnerungsdepot, das der Stadtraum darstellt, zu begeben.

Das Bild des Stadtraumes als Palimpsest trifft auch auf die Spurensuche nach der jüdischen Geschichte, den Jüdinnen und Juden in den europäischen Städten zu. Die NationalsozialistInnen und ihre HelferInnen vernichteten im Holocaust beinahe vollständig das jüdische Leben und die jüdische Kultur in Zentraleuropa. Sie beraubten und vertrieben die Jüdinnen und Juden aus ihren Wohnungen, Häusern und aus den Städten und Dörfern und ermordeten all jene, die ihnen nicht durch Flucht ins Exil entkommen konnten. Darüber hinaus setzen sie alles daran, auch die Erinnerung an die Jüdinnen und Juden aus dem kulturellen Gedächtnis zu löschen. Synagogen, Beträume, Mikwoth wurden ebenso zerstört wie Straßen umbenannt und kulturelle sowie religiöse Artefakte, die auf jüdisches Leben verweisen hätten können, wurden geraubt oder vernichtet.


Dementsprechend finden sich nach den Verwüstungen des Nationalsozialismus und Jahrzehnten des Schweigens und Negierens der Gräuel in der österreichischen Gesellschaft auch im Bezirk Jakomini kaum auf den ersten Blick sichtbare Spuren jüdischen Lebens.

Dieses hatte seinen Anfang ab der Mitte des 19. Jahrhunderts genommen. So konnte sich nach der Emanzipation der jüdischen Bevölkerung in der Habsburgermonarchie auch in Graz eine jüdische Gemeinde etablieren. Zunächst ließen sich vor allem Jüdinnen und Juden aus den benachbarten Regionen der Steiermark, vor allem aus Westungarn, in Graz nieder ehe gegen Ende des 19. Jahrhunderts und vor allem bis zum Ende des Ersten Weltkrieges auch Menschen aus Galizien und der Bukowina in Graz eine neue Heimat fanden.

Die bevorzugten Wohngebiete waren zunächst die traditionellen Zuwandererbezirke Gries und Lend. Doch mit der städtebaulichen Erschließung von Jakomini im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde auch dieser Bezirk zunehmend Wohn- und Arbeitsplatz für Jüdinnen und Juden, woran jedoch nach der gewaltsamen Vertreibung durch die NationalsozialistInnen oberflächlich nichts mehr erinnert.


Daher ist die Frage nach einem „Jüdischen Jakomini“, die dieser Rundgangsführer stellt, zunächst auch eine Frage nach den Manifestationen, den Orten vergangenen jüdischen Lebens und in weiterer Folge die Suche nach den ausgelöschten, den überschriebenen Spuren dieses Lebens.

Eine Suche, die, wie in diesem kleinen Rundgangsführer sichtbar wird, durchaus erfolgreich verlaufen ist.

Graz, Juni 2018

Text: Gerald Lamprecht

Fotos: Nikolaos Zachariadis

 

 

Rundgang 7

15. September 2018

Internationaler Tag der Demokratie

 

Eröffnung der Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekte

Mit: Nicole Pruckermayr, den anwesenden Künstler*innen von Comrade Conrade, Elisabeth Fiedler / Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

Samstag, 15. September 2018, 15:00 Uhr. Treffpunkt: Ostbahnhof, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 104

Auszug aus einer Eröffnungsrede, die so nicht gehalten wurde…

„Mit der Eröffnung der Kunst-Projekte von „COMRADE CONRADE. Demokratie und Frieden auf der Straße“ geht dieses interdisziplinäre Kunst-, Forschungs- und Friedensprojekt, welches von mir 2016 initiiert wurde und bei dem ich auch die Projektleitung über habe, in eine neue Ebene der Auseinandersetzung mit der Conrad-von-Hötzendorf-Straße.
Kunst und Kultur können auf Zustände und Umwelten intensiv reagieren und durch ihr schlichtes Vorhandensein zeigen, dass es außerhalb von marktwirtschaftlichen Überlegungen und Eventisierung auch andere Formen des Denkens über Straße oder Öffentlichkeiten gibt. Sie haben die Fähigkeit, zwischen Theorie und Praxis zu vermitteln, aber auch zwischen NachbarInnen, oder Menschen, die sich nicht kennen.

Ziel des Gesamtprojektes war es, ein Netzwerk von Personen zu schaffen, die mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement in Graz präsent sind und die sich der Conrad-von-Hötzendorf-Straße annehmen wollen, die über den öffentlichen Raum der Stadt Graz nachdenken wollen und über Frieden und Demokratie. Die Kunst-Projekte generieren nun wieder eigene Netzwerke, da Projekte im öffentlichen Raum immer eine Unzahl an Personen involvieren, die zuvor nie etwas miteinander zu tun hatten.

„…was hier war, was hier ist und was sein wird, geht uns alle an – gemeinsam erschaffen wir Zustände und Umwelten. Ohne kontinuierliche Achtsamkeit, Solidarität und reflektiertem Handeln kein dauerhafter Frieden…“

Frieden hat derzeit als Vision einen schlechten Stand, und der Wunsch nach Demokratie als Staatsform ist weltweit gesehen stagnierend.
Wir leben hier in Österreich aber in einer der besten Demokratien weltweit und sollten tunlichst darauf achten, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Demokratie fällt nicht vom Himmel, sie ist keine Selbstverständlichkeit. Generationen vor uns haben mit ihrem Engagement, Energie und Arbeit den Ist-Zustand geschaffen, der ganz klar Stabilität, Kontinuität und Sicherheit aufweist, auch wenn manches nicht optimal ist. Lasst uns diesen Zustand nicht aushöhlen, sondern verbessern!

Die Conrad-von-Hötzendorf-Straße ist nach dem Generalstabchef der k.k. Monarchie benannt, und zwar seit 1935. Die Bennung wurde zur Zeit des autoritären Ständestaates vorgenommen, zehn Jahre nach dem Tod von Franz Conrad-von-Hötzendorf, der mitverantwortlich war für den Ausbruch des ersten Weltkriegs.
100 Jahre nach dem Ende des ersten Weltkriegs und der Gründung des ersten demokratischen Staatsgebildes in Österreich, heißt diese Straße noch immer nach dem damaligen Kriegstreiber.

Welche Wünsche und Ziele verfolgen wir? Mir erscheint ein solidarisches friedvolles gemeinsames Nachdenken darüber, wo und wie wir leben wollen zwingend. ”
nicole pruckermayr

Stationen unseres Rundganges:

„Mexikanischer Tumulus“ von Nayarí Castillo und Hanns Holger Rutz am Ostbahnhof

„WAR IS OVER“, die Performance von Eva Ursprung bei der Pizzaria Georgi am Dach

„RESONANZRAUM“ von Reni Hofmüller bei der Justizanstalt

 „Und sie hörte nicht auf, bis sie sich totgelacht hatte“ Performance von Maruša Sagadin

„WAR IS OVER“ – Leuchtschrift von Eva Ursprung, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 116

„RESONANZRAUM“ – Plakatwand von Reni Hofmüller gegenüber CvH-Straße 151

„IMMER WIEDER DIE WAFFEN NIEDER!“ von Johanna Tinzl am Bertha-von-Suttner-Platz

„Gyges und sein Ring“, die Fanzines von Sir Meisi

„RESONANZRAUM“ von Reni Hofmüller in der Raiffeisenstraße

Die Kunst-Projekte finden in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark statt.

Fotos: Nikolaos Zachariadis

Gefördert und unterstützt von: Stadt Graz, Bundeskanzleramt Österreich, Österreichische Gesellschaft für politische Bildung, Lebenshilfe GUV

Ein spezielles DANKE an:
Ankünder; Toni Arellano; Martin Behr; BIG-Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.; Gabriele Edlbauer; Jojo Emeka; Lisa Ertl; esc medien kunst labor; Finanzamt Graz; Hannes Freiszmuth; Ille Gebeshuber, Scientific Consultant; Georg Georgi, Pizzeria Georgi; Stefan Haas, Firma SHT; Hannes Heel; Michael Hohl und Team, Elektro Neon Elger; Irmi und Reinfried Horn, kunstGarten; Martin Huth; Bernhard Inninger und Team, Stadtplanungsamt Graz; Justizanstalt Graz-Jakomini; Hanspeter Kraus, SCHENKER & CO AG; Wolfgang Khil und Team, Druckerei Khil; David Kriebernegg; Kurtis Gym – Das Original; Manfred Lampel, Thomas Huber, Peter Gangl, Hubert, Gert, Herr Peter uva, Holding Graz; Johannes Marek und Team, Ginkgogardens; Maria Müller und Martin Grube, Institut für Botanik, Uni Graz; Atelier Neubacher; Renatn Oblak; Sofia Olascoaga; Rainer Possert; Christine Radl, Abteilung Grünraum und Gewässer; Johanna Pflüger; Manuela Ranner-Jauk; Risograd; Rhizom; Brigitte Schlick; Christof Scherrer, Scherrer Audio; Uli Schnölzer; Johann Schöggl und Team, ÖBB – Immobilienmanagement GmbH; Straßenamt Graz; Hans Georg Tropper, Firma Bild Grafik; Monica Quintini Wissmann; Karl-Heinz Zach, BHM INGENIEURE – Engineering & Consulting GmbH; Albert Wiltsche; Gabriele Zieger, Firma Zieger; I0hannes zmölnig, u.v.a.

 

Rundgang 8

29. September 2018

Internationaler Tag der Gewaltlosigkeit

 

Finissage der Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekte

Mit: Nicole Pruckermayr, den anwesenden Künstler*innen von Comrade Conrade und Interessierten.

Samstag, 29. September 2018, 15:00 Uhr
Treffpunkt: Bertha-von-Suttner-Platz/Ecke Ulrich-Lichtenstein-Gasse
Veranstaltet in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

Auszug aus einer Abschlussrede, die so nicht gehalten wurde…, weil ich mich bedankt habe… und das dauert, weil bei Kunst im öffentlichen Raum sich wieder eigene Netzwerke generieren, da Projekte im öffentlichen Raum immer eine Unzahl an Personen involvieren, die zuvor nie etwas miteinander zu tun hatten.:

„Gewalt führt zu Gewalt.
Es gilt genauer hinzuschauen, einen differenzierten Blick auf Entwicklungen und auch die Hintergründe unseres (verorteten) Zusammenlebens zu bekommen und reflektiert zu handeln. Auch und gerade in einer liberalen Demokratie ist ein Nichtakzeptieren von Dingen, die nicht akzeptierbar sind (weil sie den Menschenrechten zuwiderlaufen) notwendig, um Vertrauen und damit Halt zu geben. Angst vor Ausschluss, Unsicherheiten und Herabwürdigungen schaffen keine Basis um an einer gemeinschaftlichen Zukunft weiterarbeiten zu wollen. Das Vertrauen darauf, dass Spielregeln von allen eingehalten werden, machen Demokratien erst zu einem erstrebenswerten Konstrukt für alle, da sie als einzige Staatsform das Wohl aller, aber eben auch des Einzelnen oder der Einzelnen , im Zentrum hat. Lösungen für eine gemeinschaftliche Zukunft können nur auf Hoffnung gebaut und mit Vertrauen entwickelt werden. Friedvolles Miteinander-Umgehen fällt genauso wenig vom Himmel wie die Demokratie, wir müssen uns beides immer wieder erarbeiten.” nicole pruckermayr

Stationen unseres Rundganges:

„Verletzung ohne Namen ’18”, Performance von Nicole Pruckermayr am Bertha-von-Suttner-Platz

„IMMER WIEDER DIE WAFFEN NIEDER!“ von Johanna Tinzl am Bertha-von-Suttner-Platz

„Gyges und sein Ring“, die Fanzines von Sir Meisi

„RESONANZRAUM“ von Reni Hofmüller in der Raiffeisenstraße

„RESONANZRAUM“ – Plakatwand von Reni Hofmüller gegenüber CvH-Straße 151

„WAR IS OVER“ – Leuchtschrift von Eva Ursprung, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 116

„Mexikanischer Tumulus“ von Nayarí Castillo und Hanns Holger Rutz am Ostbahnhof

 „Und sie hörte nicht auf, bis sie sich totgelacht hatte“ Installation von Maruša Sagadin im Schaufenster von Kurtis Gym

„RESONANZRAUM“ von Reni Hofmüller bei der Justizanstalt

Fotos: Nikolaos Zachariadis

 

Rundgang 9

12. November 2018

Gründung Demokratische Republik, Österreich allgemeines Wahlrecht für Männer und Frauen

 

Aktionstag zur Republiksgründung

Der Aktionstag zur Republiksgründung fand im Rahmen der Ausstellung „Im Kartenhaus der Republik. Graz 1918–1938“ vom GrazMuseum am Montag, 12. November 2018 | 10-18 Uhr statt.

10 Uhr: Demokratieforum für Jungpolitiker/-innen — Workshop zu Demokratie und Kinderrechten
Wie passen Demokratiebewusstsein und Kinderrechte der Gegenwart mit der Geschichte der Ersten Republik zusammen?  Ausgehend von der Ausstellung „Im Kartenhaus der Republik. Graz 1918–1938“ wurden Kindern und Jugendlichen demokratische Grundrechte und deren Bedeutung nähergebracht.

16 Uhr: Stadtrundgang zu „Comrade Conrade. Demokratie und Frieden auf der Straße”
Stadtrundgang mit dem Fotograf Emil Gruber zu den politischen Schauplätzen der Geschichte von der Gründung der 1. Republik bis zur nationalsozialistischen Volkserhebung der Stadt Graz 1938 in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße und Umgebung.
Ausgehend vom Treffpunkt GrazMuseum besuchten wir drei Stationen:

  • Landesgericht

Am 18. Dezember 1931 wurde hier Walter Pfrimer, Leiter des Steirischen Heimatschutzes und Drahtzieher eines Staatsstreiches, vom Vorwurf des Hochverrats freigesprochen.

Foto: Lena Prehal, GrazMuseum

  • Justizanstalt Jakomini

In Folge der Februarkämpfe 1934 wurde hier der Schutzbundführer und Sekretär der steirischen Arbeiterkammer Josef Stanek zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Foto: Lena Prehal, GrazMuseum

  • Jakoministraße 23

In der Silvesternacht 1933 verübten Nationalsozialist/-innen einen Anschlag auf das von einem jüdischen Besitzer geführte Radiohaus Tauber in der Jakoministraße 23.

beide Fotos: Lena Prehal, GrazMuseum

 

17.00 Uhr: Ein Dialog mit den Schauplätzen — Themenführung
Der Fotograf Emil Gruber führte durch die Ausstellung „Im Kartenhaus der Republik“ entlang seiner Fotoserie „Schauplätze“.

beide Fotos: Lena Prehal, GrazMuseum

Zur Fotografie der Schauplätze
Denkmäler, Gedenkstätten, Memorials, Erinnerungstafeln an Hauswänden, geschützte Bauten und andere Räume sowie Museen verbildlichen Geschichtsschreibung.
Neben dieser sichtbaren Welt gibt es eine unsichtbare Geschichte. Diese “andere” Seite der Geschichte ist nicht Teil des großen Gedächtnisses. Diese Geschichte erzählt oft neu, erweitert, immer wieder erzählt sie abweichend. Auswahlkriterien eines Geschichtsbewusstseins sind abhängig von Zeit, Ort, Gesellschaft, Politik. Die Kultur eines Landes prägt auch das Narrativ seiner Geschichte. Aber einmal Geschehenes ist erst dann endgültig gelöscht, wenn der letzte Wissende vergisst.
Neben der Wissenschaft nahmen und nehmen Künstler und Künstlerinnen Spuren-sicherungen vor. Sie “retten” aus dem kollektiven Bewusstsein verschwundene Geschichte, markieren unberücksichtigte Gedächtnisorte in der und für die Öffentlichkeit.
Seit Jahren verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig “Stolpersteine” vor Häusern, in denen Menschen, die im Nationalsozialismus ermordet wurden, einmal gelebt hatten.
Jochen Gerz setzte 2009 in seinem Erinnerungsprojekt “63 Jahre danach” einen Text in den Bogen des Grazer Burgtors, der auf den nach Kriegsende nie zur Rechenschaft gezogenen nationalsozialistischen Landeshauptmann der Steiermark, Sigfried Uiberreither, verweist.
2013 malte Catrin Bolt ein Schriftband entlang der Strecke, auf der ein Mob 1938 den Oberrabbiner David Herzog, nachdem er aus seiner Wohnung geholt worden war, durch die Straßen trieb.
Auch die Ausstellung “Im Kartenhaus der Republik. Graz 1918-1938” rückt unbekannte Schauplätze von Konflikten und Auseinandersetzungen, von Willkür und Terror wieder in die Wahrnehmung.
Manche dieser Schauplätze haben praktisch unverändert die Zeiten überdauert (wie Rathaus oder Landesgericht). Bei anderen wieder hat sich die Umgebung rund um das ursprünglich bestehende Ortsbild stark verändert (ehemaliger Murvorplatz oder Schloss Messendorf). Wieder andere Bauten sind nicht mehr vorhanden (Konsumgebäude, Industriehalle).
Fotografisch in die Vergangenheit zu reisen, bedeutet, sich entlang der Bruchlinie zwischen Realität und Fiktion, zwischen Gefundenem und Verschwundenem zu bewegen. Die Auseinandersetzung mit dem Bild vor Ort bestimmt kein Objektiv, sondern ein Subjektiv.
Ob Detail oder Panorama, jede Aufnahme ist gleichzeitig ein Beschnitt von Wirklichkeiten. Jede so entstandene Fotografie kann nur eine mehrschichtige und gebrochene Perspektive auf die vergangenen Ereignisse einnehmen. Erst im Kopf des Betrachters, der Betrachterin entsteht so etwas wie eine innewohnende Authentizität.
Henri Cartier-Bresson meinte dazu einmal, sobald der Auslöser des Fotoapparates gedrückt ist, wird das aufgefangene Bild selbst zu Vergangenheit – zu Geschichte.
Text: Emil Gruber

www.grazmuseum.at
Veranstaltet vom GrazMuseum

 

Rundgang 10

9. Dezember 2018

Tag der Menschenrechte (10. 12.)

 

Menschenrechte verorten in der CvH

Mit: Bernadette Knauder, European Training and research Centre for Human Rights and Democracy (UNI-ETC), Uni Graz
Treffpunkt: Landesgericht für Strafsachen, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 41


Anlässlich des 70. Geburtstages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte machen wir uns auf den Weg, die Rechte und Garantien, die uns dieses Dokument verspricht, in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße zu verorten. Die Wahrung der universellen, unteilbaren und voneinander abhängigen Menschenrechte ermöglicht Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit und die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit.
Als Minimalstandards für ein Leben in Würde und Freiheit sind Menschenrechte in unseren Leben allgegenwärtig und betreffen uns alle.  Dies sollte bei diesem Spaziergang erfahren – ergangen – werden, indem wir ausgewählte Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mit Gebäuden und Orten entlang der CvH in Bezug gesetzt wurden.


Vor dem Landesgericht für Strafsachen wurden zum Beispiel das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 7), der Schutz vor willkürlicher Verhaftung (Artikel 9) oder der Anspruch auf rechtliches Gehör (Artikel 10) thematisiert; bei der Justizanstalt Graz-Jakomini kamen das Folterverbot (Artikel 5) und das Recht auf Leben und Freiheit (Artikel 3) zur Sprache.


Die Rechte von Menschen mit Behinderung wurden vor der Lebenshilfe besprochen, insbesondere das Diskriminierungsverbot, das festschreibt, dass bei der Anwendung der Menschenrechte, kein Unterschied zwischen Gruppen von Menschen gemacht werden darf.


Gemäß Artikel 25 hat jeder Mensch Anspruch auf einen angemessenen Lebensstandard. Dazu gehört unter anderem eine menschenwürdige Behausung, angemessene Kleidung und Ernährung sowie ärztliche Betreuung.  Hierunter fällt auch ein Recht auf Gesundheit, das vor der Apotheke in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße 28 erläutert wurde.
Das Recht auf Gedankens- und Gewissensfreiheit ist das Recht eines jeden, sich seine Gedanken und sein Gewissen ohne unzulässige Einflüsse von außen autonom zu bilden.  Es ist unter anderem in Artikel 18 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben und wurde anhand der Freien Christengemeinde thematisiert.

Das benachbarten Styria Medienhaus bot die Gelegenheit, über das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 19), legitime Einschränkungen und unzulässige Eingriffe zu besprechen. Die Rolle von Medien in einer demokratischen Gesellschaft, die dafür nötige  Medienfreiheit und Gefahren die von einer zu konzentrierten Medienlandschaft ausgehen wurden genauso besprochen wie Hasspostings im Internet.

Die letzte Station des Rundganges stand für die menschenrechtliche Garantie der Freiheit des Kulturlebens (Artikel 27): in der Kunsthalle Graz genossen die SpaziergängerInnen das Recht auf Erholung und Freizeit (Artikel 24).

 

 

Credits

Demokratie-Rundgänge COMRADE CONRADE
Konzeption, Organisation und Projektleitung: Nicole Pruckermayr
Organisatorische Mitarbeit/Praktikum: Lisa Ertl, Johanna Pflüger
Grafik: Isabella Schlagintweit, Anna Hazod
Dokumentarische Begleitung: Nikolaos Zachariadis

Kontakt und Information:
Nicole Pruckermayr, mail:  comradeconrade[at]umlaeute.mur.at
Akademie Graz, mail:  office[at]akademie-graz.at, www.akademie-graz.at

 

Kooperationspartner*innen des Gesamtprojekts COMRADE CONRADE:
Akademie Graz / Ausreißer – die Grazer Wandzeitung / Maria Baumgartner, Landschaftsarchitektin / Centrum für Jüdische Studien, Karl-Franzens-Universität Graz / Verein für Gedenkkultur in Graz / GrazMuseum, Stadtarchiv Graz / Heimo Halbrainer, Clio, KZ-Verband, VdA Stmk / Haus der Architektur Graz, Architektursommer 2018 / Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Karl-Franzens-Universität Graz / Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark / Bernadette Knauder, UNIETC & ETC / kunstGarten / Kunsthalle Graz / Maximilian Lakitsch, Fachbereich für Politik- und Rechtswissenschaftliche Systemvergleichung: Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen, Conflict – Peace –Democracy Cluster / Lebenshilfe GUV / mur.at / Radio Helsinki / Risograd / Elli Scambor, Institut für Männer- und Geschlechterforschung, Verein für Männer- und Geschlechterthemen Graz / SMZ Sozialmedizinisches- und Stadtteilzentrum Jakomini / Eva Taxacher, Verein Frauenservice Graz / Alexandra Würz-Stalder, Studiengang Bauplanung und Bauwirtschaft, FH JOANNEUM / Edith Zitz, Diversitätsfachfrau.

 

Mit Kunst-Projekten in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark von:
Nayari Castillo / Hanns Holger Rutz, Reni Hofmüller, Nicole Pruckermayr, Sir Meisi, Maruša Sagadin, Johanna Tinzl, Eva Ursprung

 

Dank an:
Ankünder; Toni Arellano; Martin Behr; BIG-Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.; Gabriele Edlbauer; Jojo Emeka; Lisa Ertl, esc medien kunst labor; Finanzamt Graz; Ille Gebeshuber, Scientific Consultant; Georg Georgi, Pizzeria Georgi; Stefan Haas, Firma SHT; Hannes Heel; Michael Hohl, Elektro Neon Elger; Irmi und Reinfried Horn, kunstGarten; Martin Huth; Bernhard Inninger und Team, Stadtplanungsamt Graz; Justizanstalt Graz-Jakomini; Hanspeter Kraus, SCHENKER & CO AG; Wolfgang Khil und Team, Druckerei Khil; David Kriebernegg; Kurtis Gym – Das Original; Manfred Lampel, Thomas Huber, Peter Gangl uva, Holding Graz; Johannes Marek und Team, Ginkgogardens; Maria Müller und Martin Grube, Institut für Botanik, KF Uni Graz; Atelier Neubacher; Renatn Oblak; Sofia Olascoaga; Rainer Possert; Christine Radl, Abteilung Grünraum und Gewässer; Manuela Ranner-Jauk; Risograd; Rhizom; Brigitte Schlick; Christof Scherrer, Scherrer Audio; Uli Schnölzer; Johann Schöggl und Team der ÖBB – Immobilienmanagement GmbH; SMZ und Stadtteilzentrum Jakomini; Straßenamt Graz; Hans Georg Tropper, Firma Bild Grafik; Monica Quintini Wissmann; Karl-Heinz Zach, BHM INGENIEURE – Engineering & Consulting GmbH; Gabriele Zieger, Firma Zieger; I0hannes zmölnig, u.v.a.